Trainings-Camp 2019

Kein Zuckerschlecken in Westerstede

(vbe) Spätestens um halb acht Uhr morgens wird auch der letzte Judoka aus seinen Träumen gerissen, wenn Betreuer und Jugendleiter Patrick Wöhrmann oder die Landestrainer Nurali Normakhmatov sowie Sven Antonik durch die Gänge marschieren und frohgelaunt aufmunternd zum Frühstück bitten. Und das passiert zweimal im Hössen-Sportzentrum in Westerstede. Die dritte Auflage des dreitägigen Trainings-Camps ist wohl auch die interessanteste. Mit zehn weiblichen und zwanzig männlichen Athleten hat der Bremer Judo-Verband (BJV) erstmals beide Geschlechter im Alter von zwölf bis sechzehn Jahren auf die Reise geschickt.

Der erste Abend nach gemeinsamer Ankunft in Westerstede gilt noch dem Schnuppern und der Wahrnehmung von kleinen, nicht allzu heftigen Trainingseinheiten. Und sich nun fünfmal mit einem Zeittakt zu den jeweiligen Mahlzeiten arrangieren zu müssen, wird bei einigen mit einer kurzen Schnappatmung quittiert. Der Folgevormittag dient zunächst der Leichtathletik auf dem Gelände zugehörigen Stadionrund, den der BJV-Trupp mit nicht unbedingt wachsender Begeisterung wahrnimmt. Mit Lockerungsübungen, 400-m-Lauf und im Anschluss eine Staffel-Stafette werden so manche Zungen zum Zittern und im Wind wallende Haarprachten in Gang gesetzt. „Interessante Laufeigenschaften“, so Sven Antonik zu der neuen Erkenntnis, wie vielseitig zwei Beine sein können . . . oder auch nicht. Die frische Luft hingegen sorgt bei den Aktiven für eine gesunde Gesichtsfarbe mit Perleffekt.

Nun ist Zeit für die Judo-Praxis in der Sporthalle. Wer jetzt glaubt, die Mädchen und Jungen sind vom vorherigen Laufen ausgelaugt, hat sich mächtig getäuscht. Nurali Normakhmatov und Sven Antonik eröffnen das Programm mit passenden Spielen und wichtigen Technik-Hinweisen. Die Strategie und Zielsetzung der beiden Landestrainer ist die Förderung der individuellen Leistung, die sich in Form von Technikschulung und Motivationsaufbau widerspiegelt. Das ist für einige der Jung-Judokas schon eine gewisse Herausforderung. Dennoch sind alle mit Eifer und klarem Willen auf der Tatami dabei. Da bleibt noch nicht einmal Zeit, die neuen Hallen-Slipper vom Preis-Etikett zu befreien. Das ein demonstrierter Juji-Gatame auch dazu verhelfen kann, den nächsthöheren Gürtel zu erreichen, ergibt sich aus dem Dialog zweier Judo-Amazonen: „Brauchst du den für die Prüfung?“ – die Antwort: „Ja, in zwei Wochen!“. Noch ist die erste Einheit nicht zu Ende. Was jetzt folgt, lässt die Hallendecke beben. „Eine harte Nuss“, gibt Nurali Normakhmatov vorweg bekannt. Das Ziel vor dem Mittagessen heißt: Klettern am Seil; hoch und runter. Da holt sich der eine oder die andere schon einmal wunde Hände oder einen lädierten Fuß.

Mit noch leicht erröteten Mittagsschlaf-Bäckchen bewegen sich die sechzig Beine nun im Nachmittags-Modus. Es steht viel auf dem Programm. Neben Zugkraft- und Gleichgewichtstraining sind es die Formen von Druck und Gegendruck sowie Möglichkeiten des Ausweichens wie auch Eindrehübungen mit entsprechender Schrittfolge. Nach einer Pause mit einem Schluck aus der Wasserpulle geht es weiter mit dem Üben von Standardsituationen bis hin zu Grifftechniken. Der vorläufige Schlusspunkt ist die Abfolge vom Wurfeingang bis zur Ausführung sowie Kombinationen im Stand und Würgetechniken im Boden. „Ich bin schon jetzt ganz schön kaputt“, presst ein Teilnehmer seinen augenblicklichen Zustand von den Lippen. Dem soll abgeholfen werden: Schwimmen ist jetzt angesagt – freiwillig und so ganz ohne Leistung. Das wird gerne angenommen.

Bevor zum nächtlichen Lagerfeuer mit Stockbrot, Grillen und allerlei bunten Getränken getrommelt wird, steht noch ein 40-minütiges Randori im Stand und Boden auf dem Programm. Trotz des bisher kräftezehrenden Ablaufs an diesem Tag, sind sich die Mädchen und Jungen einig: Das war Spitze und dem fügt das Trainer-Trio ein dickes Lob an die Jugendlichen hinzu.

Tja, es ist schon ein großes Paket an Trainingsmöglichkeiten, dass die drei Hauptverantwortlichen geschnürt haben. Das setzt sich am letzten Tag ebenso fort. Neben einigen lustigen, aber zielführenden Spielen, geht es knallhart auf die umfangreiche Plattform des Uchi-komi. Mit Tipps und Tricks um das technische Verhalten im Stand und Boden endet das diesjährige Trainings-Camp. Nicht ganz, denn während der Mattenabbau startet, kommen sich etliche Camp-Teilnehmende wieder ganz nahe und geben sich gegenseitig ein sogenanntes Feedback, das in der Halle gut hörbar ist. Das, was sie während der drei Tage erfahren und gelernt haben, würden sie in ihren heimischen Dojos gerne fortführen. Natürlich nicht das Lagerfeuer oder der Schwimmbad-Besuch; beides rangiert dennoch in der Bewertungsskala weit oben. Eine große Mehrheit ist sogar an einem weiteren Trainings-Camp im Jahr interessiert.

Fazit: Das jüngste Trainings-Camp wirft seine Schatten voraus und dokumentiert, dass der BJV-Jugendbereich mit seinen Säulen ein wichtiger Baustein hinsichtlich seiner Förderung darstellt. Für alle Teilnehmenden war es auch wichtig, neue Gesichter kennenzulernen und daraus auch Freundschaften bilden zu können. Beides ist auch ein wichtiges Bindeglied neben der Trainingsbegleitung. Der Dank geht an die dreißig kleinen und drei großen Nasen, die das dritte Trainings-Camp zu einem Erfolg geführt haben und natürlich an Karl-Heinz Meyer, der wieder einmal alles Organisatorische auf den Weg gebracht hat.